PRESSEARCHIV

PRESSEANKÜNDIGUNG

Berlin den 24.06.02
Ein unguter Ort – doch besser als die Welt
Ein Kunstprojekt des COPYRIGHT Projektbüros, Berlin
März bis September 2002


EINLADUNG ZUR VERNISSAGE

Mi 26.06.0219 Uhr


Pierre Granoux / Jean-Luc Cornec   - Terre Fer Mer  
Installation
Veit Stratmann - Les petits chariots  
Objekte

Im PROJEKTRAUM KAMPL
Auguststr. 35
Berlin-Mitte


 

C O P Y R I G H T    KURZ-INTERVIEW


PIERRE GRANOUX – "TERRE FER MER" (mit Jean Luc Cornec)


WAS MACHT FÜR DICH EINEN ORT ZUM UNORT?

Ein anderer Blickwinkel, eine Sinn–Verschiebung, eine von der ursprünglichen Funktion abweichende Nutzung: zum Beispiel, ein (W)ort zum un(W)ort!
(Nach Marc Augé liegt die Definition der reellen "Nicht–Orte" der Übermodernität in den Worten oder Texten, die sie uns anbieten: ihre Benutzerhinweise greifen auf Ideogramme oder auf unsere Muttersprache zurück.)

INWIEFERN BERÜHRT DEINE ARBEIT DAS THEMA ORTE/UNORTE?

Ich benütze Straßenkarten Frankreichs, die im Raum auf gegenüber liegenden Wänden in Szene gesetzt werden: Man muss seinen Blick durch den gesamten Raum wandern lassen, um das französische "Hexagone" (Sechseck) zu rekonstruieren. Dies bedeutet auch die Verbildlichung einer Reise durch den Galerieraum sowie von den Süden in den Norden Frankreichs. Die Reise als Bewegung von einem Ort an einen anderen, oder besser das gedankliche Konstrukt einer solchen Reise, wird auch in einem Austausch von Postkarten mit regionalen Küchenrezepten auf sensible Weise zum Ausdruck gebracht: die Absender dieser "mental map" – ein sinnliche und zärtliche Frankreichkarte – haben an meine Berliner Adresse ihr Lieblingsrezept geschickt. Die am häufigsten geschickte Karte habe ich ausgewählt, um sie am Tag der Ausstellungseröffnung als Vorlage für ein Essen zu nehmen: es ist die "soupe au pistou", ein Rezept aus dem Süden Frankreichs, aus der Provence aus der ich komme.
Eine Frankreichkarte, geteilt in zwei Teile, die sich gegenüberstehen wie zu einem sportlichen Wettkampf (Tennis z.B.), Postkarten, die das Bild eines Klischee–Frankreichs entstehen lassen – gut essen "wie Gott in Frankreich"; und eine Galerie, die zum Imbiss wird, in welchem die Transformation all dieser Elemente genossen wird: die Interpretation der Worte und der Bilder durch unseren Geist und unseren Magen.

IN JÜNGERS ZWILLE FLÜCHTET DER ÜBERSENSIBLE KÜNSTLER AN EINEN ABORT, DEN DIE ÖFFENTLICHKEIT MEIDET, UND ERFINDET DORT EINE BESSERE WELT. INWIEFERN SPIELT DIESE HALTUNG BEI DER BEARBEITUNG DES THEMAS ORTE/UNORTE EINE ROLLE?

Ich bin dieser übersensible (französische) Künstler: von Berlin aus habe ich von meinem Heimatland ein verändertes Bild, manchmal kritischer, doch oft auch beschönigend. Das Gefühl der Ferne gemischt mit Nostalgie der verlorenen Kindheit und Jugend ermöglicht mir eine neue Beziehung zu diesem Land: so lese ich französische Autoren, die ich in Frankreich nie gelesen hätte und höre französische Musik, die weit entfernt ist von dem Musikgeschmack, den ich in Frankreich lebend hätte... Das selbst gewählte Exil ist der Unort, von dem ich nie hätte glauben können, daß er mein Lebensort wird. Ich habe hier die Einsamkeit der Sprach–losigkeit experimentiert. Erst das mühsame Erwerben der fremden Sprache und Sprach–Logik machte den Unort wieder zum Ort.

MACHT DIE KUNST DEN UNORT BESSER ALS DIE WELT?

Der Unort existiert durch den Blick der Menschen, die sich nicht darin wiedererkennen oder nicht mehr wiedererkennen oder noch nicht wiedererkennen. Je nach Zeitpunkt, Gebrauch und Thematik kann ein (Ausstellungs-)Ort zu einem Unort werden und umgekehrt. Je nach Zeitpunkt kann ein Unort besser als die Welt sein.

WAS HAT FÜR DICH DEN REIZ AUSGEMACHT, BEI DEM PROJEKT AUSZUSTELLEN?

Ich hatte Lust, Kunst mit Küche zu verbinden: eine Spezialität meiner Heimat zu kochen und dieses Vergnügen, für andere zu kochen zu koppeln mit der Freude, Kunst zu machen. Mit anderen und für andere.Ich bin dieser übersensible (französische) Künstler: von Berlin aus habe ich von meinem Heimatland ein verändertes Bild, manchmal kritischer, doch oft auch beschönigend. Das Gefühl der Ferne gemischt mit Nostalgie der verlorenen Kindheit und Jugend ermöglicht mir eine neue Beziehung zu diesem Land: so lese ich französische Autoren, die ich in Frankreich nie gelesen hätte und höre französische Musik, die weit entfernt ist von dem Musikgeschmack, den ich in Frankreich lebend hätte... Das selbst gewählte Exil ist der Unort, von dem ich nie hätte glauben können, daß er mein Lebensort wird. Ich habe hier die Einsamkeit der Sprach–losigkeit experimentiert. Erst das mühsame Erwerben der fremden Sprache und Sprach–Logik machte den Unort wieder zum Ort.

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Das Kunstprojekt lädt alle Interessierten aus Kunst, Musik, Literatur und Theorie ein zum Austausch über das
Phänomen des Unortes. Das Projekt ist bis zum 14. Juli 2002 mit Ausstellungen, Performances, Lesungen
und Vorträgen im Projektraum der Galerie Kampl.


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COPYRIGHT Projektbüro
Silvia Vormelker
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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